Mit Druck umgehen – mentale Stärke im Golf
Jeder Golfer, unabhängig von seinem Spielniveau, erlebt früher oder später Drucksituationen auf dem Golfplatz. Ob bei einem Zock gegen Freunde, kurz vor der Einstelligkeit, beim Monatsbecher, oder als erfahrener Golfer bei einem internationalen Turnier.
In solchen Situationen ist es oft diese kleine Stimme in deinem Kopf, die plötzlich lauter wird und dich auf all die Dinge aufmerksam macht, die schiefgehen könnten. Du kennst diese Stimme? Dann bist du nicht allein!
Ich spiele seit 17 Jahren Golf und habe diverse Top-10-Platzierungen bei internationalen europäischen Golfturnieren erreicht. Das bedeutet auch, dass ich bereits zahlreiche Begegnungen mit dieser kleinen Stimme hatte.
Im Laufe der Jahre habe ich Methoden gefunden, die mir persönlich geholfen haben, meine Leistung unter Druck zu verbessern. Im Juni 2023 habe ich mit Hilfe dieser mentalen Werkzeuge die Mid-Amateur EM gewinnen können.
Daher möchte ich in diesem Blog gerne 4 Maßnahmen mit dir teilen, die mir geholfen haben, mit Drucksituationen auf dem Golfplatz umzugehen.
Am 10. Juni 2023 wurde Ocean Meets Green offiziell zu einer Siegermarke!*
10.06.2023 - der letzte Tag der European Mid-Amateur Ladies' Championship im Bogogno Golf Resort in Italien:
Zu Beginn der finalen Runde führte ich mit zwei Schlägen. Nach neun gespielten Löchern habe ich diesen Vorsprung auf vier Schläge ausbauen können. Nach 17 Löchern rutschte ich jedoch auf den zweiten Platz ab, einen Schlag hinter der Führenden.
Als wir die 18. beendet hatten, war ich auf dem geteilten ersten Platz und musste mit zwei weiteren Spielerinnen ins Stechen gehen. Auf dem ersten Playoff-Loch konnte ich den Titel für mich entscheiden.
Klingt nach einer wilden Achterbahnfahrt, oder? So hat es sich auch angefühlt.
Videoausschnitte von dieser Achterbahnfahrt am finalen Tag der EM gibt's hier zu sehen.
Wie es sich anfühlt, verfolgt zu werden – ein kleiner Einblick in mein Golfer-Hirn
Die Mid-Amateur EM war der erste bedeutende Sieg für mich.
Und wenn du denkst, dass sich die Nervosität auf dem Golfplatz verabschiedet, wenn man besser spielt, dann muss ich dich leider enttäuschen. Denn Golf ist ein Sport, in dem du immer wieder außerhalb deiner Komfortzone geraten wirst.
In meinem Fall habe ich schon kleinere Turniere gewonnen, aber auf europäischer Ebene aufzuteen, das ist nochmal etwas anderes. Auch wenn ich bei anderen europäischen Turnieren schon Top-10- und Top-5-Platzierungen erreicht hatte, bin ich noch nie als Führende in die Finalrunde gegangen. Das war absolut neu für mich und außerhalb meiner Komfortzone.
Um ganz ehrlich zu sein, war ich auf den ersten beiden Löchern ziemlich nervös. Mein Herz ist mir gefühlt fast aus der Brust gesprungen und mein Atem war super schnell. Als ich über den ersten Putts stand, wurde mir leicht schwindelig, und meine Hände haben gezittert.
Zum Glück war ich nicht vollkommen unvorbereitet. In den 9 Monaten zuvor habe ich aktiv an Methoden und Prozessen gearbeitet, um mein Nervensystem in diesen stressigen und unbekannten Situationen zu beruhigen. Denn Golftraining bezieht sich nicht nur auf den Schwung. Wenn du mental gut aufgestellt bist und die richtigen Werkzeuge an der Hand hast, kannst du schwierige Situationen besser meistern.
Und genau diese Werkzeuge möchte ich gerne an dich weitergeben, damit du sie in dein Bag packen und in Drucksituationen darauf zurückgreifen kannst.
4 Maßnahmen, die dir helfen können, mit Drucksituationen auf dem Golfplatz umzugehen:
1. Atemtechniken
Deine Atmung ist dein Anker. Das tolle an diesem - sehr mächtigen - Tool ist, dass du es immer bei dir hast und jederzeit darauf zurückgreifen kannst. Um in Druck- oder Stresssituationen davon Gebrauch zu machen, ist es ratsam, dass du dich vorher mit diesem Werkzeug bekannt machst.
Zum Beispiel kannst du geführte Atemübungen oder Meditationen machen. Hier lernst du erst einmal, deinen Atem wahrzunehmen und die Verbindung zwischen Atem und mentaler, sowie körperlicher Verfassung zu erkennen. Langsame, tiefe Atemzüge signalisieren deinem Körper und Hirn Entspannung. Kurze, schnelle Atemzüge hingegen bereiten deinen Körper auf die Flucht in Gefahrensituationen vor, in der alle Alarmglocken läuten und "STRESS" schreien.
Ziel ist es, dass du dich über deine Atmung in die Entspannung bringen kannst.
Dies kannst du im zweiten Schritt tun, indem du dich bewusst in eine kontrollierte Stresssituation bringst, und trainierst, deinen Atem zu verlangsamen und ruhig zu werden. Ein prima Training für Situationen in denen dein Puls durch die Decke geht.
Mein persönlicher Favorit hierfür sind Eisbäder oder eine kalte Dusche am Morgen.
2. Fokussiere dich auf den Prozess, nicht auf das Ergebnis
Deine Routine vor dem Schlag und der Prozess vor jedem Schlag sind zwei der wenigen Dinge im Golf, die du immer kontrollieren kannst. Auf alles, was danach folgt (wie der Ball liegt, wie du den Ball triffst, wie er fliegt, wie er vom Wind beeinflusst wird, wo er landet, wie er springt und wo er zum Liegen kommt) hast zu vergleichsweise wenig bis gar keine Kontrolle. Aus dem einfachen Grund, weil so viele verschiedene Variablen ins Spiel kommen.
Dinge, die außerhalb deiner Kontrolle liegen, haben das Potenzial, dich nervös zu machen. Liegt der Fokus hingegen auf den Abläufen, über die du Kontrolle hast, schaffst du dir einen weiteren Anker. Dieser Anker schafft den nötigen Raum und die nötige Ruhe, damit du dich auf die wichtigen Dinge konzentrieren kannst.
Daher ist es wahnsinnig wichtig, dass du dich im kleinsten Detail an deine Routine hältst. Der immer gleiche Ablauf gibt dir Sicherheit in Situationen, die außerhalb deiner Komfortzone liegen.
3. Mantras
Ich habe den Begriff Mantra für mich ein wenig abgewandelt. Für mich bedeuten sie so viel wie unterstützende und hilfreiche Gedanken. Normalerweise habe ich für jede Runde ein bestimmtes Mantra, je nach dem, was sich an dem Tag gerade richtig und wichtig anfühlt.
Für mich persönlich sind englische Formulierungen angenehmer. Du kannst dein Mantra so formulieren, wie es für dich am besten passt.
Ziel ist es, dass sich der (positive) Gedanke manifestiert und dir Selbstvertrauen und Sicherheit gibt.
Während der Europameisterschaft war mein Mantra: Keep doing what you’re doing. Ich habe in der Woche zuvor ein kleineres Turnier gewonnen und mich mit meinem Spiel sehr sicher gefühlt. Bevor ich nach Italien gereist bin, hat mein Bruder im Gespräch den Satz: "keep doing what you’re doing" fallengelassen. Dieser Satz hat so stark mit mir resoniert, dass er für mich die Verbindung zu dem sicheren Gefühl aus der Woche zuvor hergestellt hat.
Welcher Satz löst bei dir ein positives Gefühl aus?
Bei welchem Satz fühlst du dich stark, sicher und selbstbewusst?
Wichtig ist, dass der Satz in Verbindung mit einem positiven Gefühl steht, dass dir in Momenten des Zweifels helfen kann. Wenn du das nächste Mal einen Anflug von Nervosität hast, kannst du dich auf diesen Satz berufen und ihn mehrfach in Gedanken wiederholen oder sogar laut aussprechen, um dich mit dem positiven Gefühl in Verbindung zu setzen.
4. Sei nett zu dir selbst
Ich habe bemerkt, dass, wenn ich im inneren Dialog freundlich und empathisch mit mir selbst umgehe, ich tendenziell auch besser spiele. Zudem macht es die gesamte Runde zu einem schöneren Erlebnis, wenn du nett zu dir selbst bist, anstatt dich für schlechte Schläge fertig zu machen. Denn sind wir mal ehrlich, schlechte Schläge gibt's auf jeder Runde, egal wie gut du bereits Golf spielst.
Diese Methode hängt ein wenig mit den Mantras zusammen. Ich persönlich habe mir ein paar Sätze zurechtgelegt, die ich mir selbst immer wieder sage, wenn ich merke, dass ich unsicher oder nervös werde, wie zum Beispiel: "I belong here" ("Ich gehöre hier her") und "I got this" ("Ich schaffe das").
Wenn ich mal nicht gut score oder einen Schlag mache, mit dem ich unzufrieden bin, sage ich mir: "That’s okay, I’m doing my best and my best is good enough" ("Das ist okay, ich gebe mein Bestes und mein Bestes ist gut genug") oder "You’re doing fantastic" ("Du machst immer noch einen guten Job").
Vielleicht sind es nicht genau diese Sätze, die mit dir resonieren. Du kannst dir deine eigenen Sätze zurechtlegen. Der erste Schritt ist, dass du beobachtest, wie du mit dir selbst auf dem Golfplatz sprichst und wie dein innerer Dialog klassischerweise abläuft. Im nächsten Schritt geht es darum, dass du diesen Dialog so freundlich und empathisch wie möglich gestaltest. Wie genau das aussieht, kannst du frei entscheiden. Hauptsache du gehst liebevoll und wohlwollend mit dir um.
Denn wenn du verständnisvoll mit dir selbst umgehst, öffnest du den Raum, um zu beobachten und zu lernen, anstatt zu bewerten oder dich abzuwerten. Zudem hilft die Akzeptanz über das, was ist, den nächsten Schlag möglichst neutral anzugehen.
Warum ich das schreibe:
Ich schreibe all dies, um dir weiterzugeben, was für mich als Golferin auf internationaler Ebene funktioniert hat. Vielleicht bist du demnächst auch in einer Drucksituation - ob auf dem Golfplatz oder im Alltag - und kannst eines oder mehrere dieser Werkzeuge anwenden.
Natürlich habe auch ich Tage, an denen mich Bogeys mehr enttäuschen oder ärgern als an anderen Tagen.
An manchen Tagen fühle ich mich völlig gelassen und kann über schlechte Schläge schmunzeln. An anderen Tagen fällt es mir schwerer, nicht so hart mit mir selbst ins Gericht zu gehen. Ich habe auch schon Runden erlebt, in denen ich alle diese Methoden ausprobiert habe und trotzdem nicht die innere Ruhe gefunden habe, die ich gerne gehabt hätte.
Ich schreibe das, weil ich dir sagen möchte, dass auch das vollkommen in Ordnung ist. Mensch zu sein bedeutet, dass wir Emotionen spüren, das ist schließlich das, was uns menschlich macht. Und der Golfsport bringt bekanntlich eine ganze Bandbreite an Emotionen in uns hervor.
Wenn du das nächste Mal ein wichtiges Match hast oder kurz davorstehst, dich endlich runterzuspielen, hoffe ich, dass dir ein paar dieser Methoden dabei helfen, cool zu bleiben und das Ding nach Hause zu bringen.
Und wenn doch nix davon funktioniert, kauf' dir einfach ein Outfit, in dem du dich selbstbewusst fühlst, egal was passiert!
Alena xx
*das Statement gefällt mir! ;)